Für eine Zeitgeschichte des Nationalismus und der Rechten

Beginn des Projektes
October 2020
Ende des Projektes
November 2025

Abgeschlossenes Postdoc-Projekt 

Wer in den zwei, drei Dekaden nach der Wiedervereinigung historische Studien zur Hand nahm, um sich über den Ort des Nationalismus in der Geschichte und Gegenwart der Bundesrepublik zu informieren, gewann den Eindruck, dass es da nicht allzu viel nachzulesen und auch wenig zu erforschen gab. Heinrich August Winkler etwa stellte 1993 die These auf, dass in Nachkriegsdeutschland ein massiver „Funktionsverlust des Nationalismus“ stattgefunden habe – eine verbreitete Einschätzung, die fast so alt ist wie die Bundesrepublik selbst. Die einzige nationalismusgeschichtliche Thematik, die er umfassender behandelte, war die „deutsche Frage“ nach der Bedeutung des Nationalen in beiden deutschen Staaten. Hans-Ulrich Wehlers kleine Geschichte des Nationalismus, die 2001 erschien, behandelte die BRD und die DDR nur am Rande: „Vierzig Jahre lang diente der Nationalismus nicht mehr als Legitimationsbasis dieser Staaten“, schreibt Wehler. „Seine Legitimations- und Integrationskraft tendierte zumal in der Bundesrepublik, abgesehen vom schmalen rechtsradikalen ‚Narrensaum‘ der Politik, gegen Null. In ein Vakuum, das die Zerstörung und Verbannung des nationalistischen Weltbilds hinterlassen hatte, konnte sich als neuer Loyalitätspol zuerst ‚Europa‘, dann der Leistungsstolz auf die Bundesrepublik festsetzen.“ 

Die Legitimations- und Integrationskraft des Nationalen tendierte weder in der Bundesrepublik noch in der DDR gegen Null. Nationalismus war vielmehr in beiden Staaten omnipräsent. Aber weil das Nationale in den 1945er Jahren eine grundlegende Transformation durchgemacht hatte, die der zeitgleichen Umgestaltung der Herrschaftsordnung in nichts nachstand, war Nationalismus nicht mehr ohne weiteres auf den ersten Blick zu erkennen. Er galt als überwunden, hatte sich aber nur sehr stark gewandelt und wird deshalb für Historikerinnen und Historiker erst heute, mit gehörigem Abstand, wieder besser erkennbar. 

Auf der Grundlage einer umfassenden Neuinterpretation der geschichts- und politik- und sozialwissenschaftlichen Forschungsliteratur, die in Fachzeitschriften, Sammelbänden, Podcasts sowie auf Tagungen und Workshops publiziert und diskutiert wurde, erarbeitete das Projekt erstens eine Reihe von Arbeitsdefinitionen, die dabei helfen können, diesen transformierten Nachkriegsnationalismus zu erkennen. Das Projekt nimmt gerade auch solche Dimensionen nationalistischer Politik in den Blick, die sich nichtdurch Nationalfarben oder andere Offensichtlichkeiten zu erkennen geben. So wurde die gesamte Rechte sichtbar, auch jenseits des Rechtsradikalismus. Zweitens wurde skizziert, welche neuen Sehepunkte es mit sich bringen kann, wenn Historikerinnen und Historiker in Deutschland und anderswo ihren Untersuchungsgegenstand durch die nationalismusgeschichtliche Brille betrachten.

Portraitfoto von Dominik Rigoll, wissenschaftlicher Mitatrbeiter am ZZF Potsdam
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Photo credit: Frischefotos

Dominik Rigoll

Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung
Am Neuen Markt 1
14467 Potsdam

Email: rigoll [at] zzf-potsdam.de
Telefon: 0331/74510-121

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