Hall of Fame des deutschen Sports: Einordnen statt Ausblenden

ZZF-Historikerin Jutta Braun gibt ihr Expertinnen-Votum  - Veranstaltung der Deutschen Sporthalle zum Diskurs um die "Hall of Fame des deutschen Sports".

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ZZF-Historikerin Jutta Braun (Mitte) erläutert ihr Expertinnen-Votum auf der Veranstaltung der Deutschen Sporthilfe am 15. September 2025 in Berlin. Die Veranstaltung moderierte Anno Hecker (links, Sportchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung). Mit Professor (i.R.) Dr. Hans Joachim Teichler (rechts, ehemaliger Leiter des Arbeitsbereiches Zeitgeschichte des Sports im Institut für Sportwissenschaft der Universität) saß ein weiterer Experte auf dem Podium. Foto: Marion Schlöttke

Ein Expertengremium, dem ZZF-Historikerin Dr. Jutta Braun angehörte, stellte am Montag (15.9.) im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin sein Votum zur NS-Belastung verschiedener Mitglieder der „Hall of Fame“ des deutschen Sports vor. Die Empfehlung der fünf renommierten Historiker*innen lautete, die Genannten nicht auszuschließen, da der Sport dann eine nachträglich geschönte und verzerrte Geschichte seiner selbst präsentieren würde. Wichtig sei es vielmehr, alle betroffenen Biografien auf der öffentlichen Website der "Hall of Fame" anhand des Forschungsstandes zu aktualisieren, um den Anspruch der Halle als Bildungsort zu entsprechen. 

Jutta Braun betonte, auch die Verstrickung des Gründers und langjährigen Vorsitzenden der Sporthilfe, Josef Neckermann, neu zu beleuchten. Dessen Vita hatte nicht zu dem von der Deutschen Sporthilfe in Auftrag gegebenen Sample von zu überprüfenden Lebensläufen gehört. Die Sporthilfe gehört zu den Trägern der Hall of Fame des Sports, gemeinsam mit Deutscher Olympischer Sportbund (DOSB) und dem Sportjournalistenverband. 
„Die zur Debatte stehenden Sportler*innen stehen für die graduell unterschiedliche Beteiligung der deutschen Gesellschaft am Aufstieg und der Durchsetzung des NS und dessen anschließendem kollektiven Beschweigen. Wenn man diese Personen aus der Hall of Fame ausschließt, wirkt das wie ein Purgatorium. Als wenn der deutsche Sport sich im Nachhinein selbst reinigt und das politisch Verstrickte von sich abkapselt. Eben diese Verstrickung, das zeigt der Fall Neckermann paradigmatisch, saß aber im Zentrum der Gesellschaft wie des Sports. Das zeigt der Fall Neckermann paradigmatisch, sagte Jutta Braun. 
Zudem schloss sich die Historikerin der Forderung von Professor Hans Joachim Teichler (em. Universität Potsdam) an, jüdische Sportler*innen, die Opfer des NS-Regimes wurden und die man in dieser Zeit aus den Rekordlisten tilgte, als neue Kandidat*innen für die Hall of Fame zu berücksichtigen: hierunter die in Riga ermordete Lilli Henoch und die beiden Cousins Alfred Flatow und Gustav Felix Flatow, die in Theresienstadt ermordet wurden.

Als problematisch sieht Jutta Braun den aus dem Amerikanischen übernommenen Namen „Hall of Fame“ angesichts der Herausforderung an, auch die Schattenseiten in den Biografien umfänglich darzustellen: „Man kann eine Hall of Fame schlecht in eine Hall of Shame umfunktionieren. Es wäre vermutlich sachgerechter, angesichts der differenzierten Betrachtung von einem ‚Erinnerungsort des deutschen Sports‘ zu sprechen.“ 
Ausdrücklich lobte Jutta Braun die gute Zusammenarbeit sowohl innerhalb des Experten-Gremiums, als auch mit der Deutschen Sporthilfe. Diese habe die ergebnisoffene Beratung der Experten-Gruppe "vertrauensvoll und mit großer organisatorischer Unterstützung begleitet". Die Hall of Fame des deutschen Sports könne so zu einem Ort der historischen wie sporthistorischen Erkenntnis ausgebaut werden, urteilt Expertin Braun.

Ein Vorbild für das „Kommentieren statt Abhängen“ sieht die Historikerin im Umgang des Bundeskanzleramtes mit den Ergebnissen einer Studie zum „Bundeskanzleramt und der NS-Vergangenheit“, die in diesem Frühjahr erschien, und an der sie als Autorin mitwirkte: Hierin konnten die Autor*innen Gunnar Take und Nadine Freund neue Erkenntnisse zum Chef des Bundeskanzleramtes Hans Globke vorlegen. Noch während der Projektlaufzeit wurde 2020 eine Informationstafel unter dessen Porträt in der Galerie der Amtschefs im Bundeskanzleramt angebracht, die seine Beteiligung an der Entrechtung der Jüdinnen und Juden darlegt. Alternativ war eine Entfernung des Bildes erwogen, aber nicht befürwortet worden, da dies dem Anliegen der Transparenz nicht gerecht wurde. 

Dr. Jutta Braun ist Leiterin der Abteilung "Regime des Sozialen" am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF). Sie ist Expertin für Behörden-, Diktatur- und Sportgeschichte. Zuletzt erschienen: Das Bundeskanzleramt und die NS-Vergangenheit (2025, Wallstein Verlag).


Über die „Hall of Fame des deutschen Sports“:
Die von der Stiftung Deutsche Sporthilfe im Jahr 2006 initiierte „Hall of Fame des deutschen Sports“ ist ein Forum der Erinnerung an Menschen, die durch ihren Erfolg im Wettkampf oder durch ihren Einsatz für Sport und Gesellschaft Geschichte geschrieben haben. Aktuell umfasst die Ruhmeshalle, die virtuell im Internet existiert, 131 Persönlichkeiten.

Weitere Informationen zum Diskurs:

Pressemitteilung der Deutschen Sporthilfe v. 15.9.2025
„Hall of Fame des deutschen Sports“: Kein Ausschluss von Mitgliedern aus der NS-Zeit

Medienecho zum Votum derr Experten-Kommission (Auswahl): 

Kein Ausschluss in der Hall of Fame des deutschen Sports, (Interview mit Jutta Braun), Deutschlandfunk, 15.09.2025.

Nazi-Vergangenheit des deutschen Sports„Man kann aus der Hall of Fame ja auch keine Hall of Shame machen“, sz.de (Süddeutsche Zeitung), 15.09.2025.

NS-Vergangenheit von Sportlern: Sportler bleiben nach Gutachten trotz NS-Vergangenheit in Hall of Fame, zeit.de (DIE ZEIT), 15.09.2025.

Sportlerehrungen: Hallen der Ambivalenz, faz.net (Frankfurter Allgemeine Zeitung) 16.09.2025.